Kirchliche Jugendarbeit als Basis für Führungspositionen: Studie zum Kompetenzerwerb

BDKJ Hauptversammlung 2025
© Christian Schnaubelt/BDKJ-Bundesstelle

Wenn Jugendliche sich in Verbänden engagieren, dann profitiert davon nicht nur die Gesellschaft, sondern auch sie selbst, und zwar langfristig. Dass dies ebenso für den Kontext kirchlicher Jugendarbeit gilt, unterstreicht nun eine qualitative Studie von Prof. Dr. Simone Birkel von der School of Transformation and Sustainability der KU und ihrer ehemaligen Studentin Svenja Stumpf. Ob Empathie, Organisationskompetenz oder Teamarbeit: Wichtige Fähigkeiten für ein erfolgreiches Berufsleben können in der katholischen Jugendverbandsarbeit begründet und entwickelt werden.

Prof. Dr. Simone Birkel (links) und Svenja Stumpf
Prof. Dr. Simone Birkel (links) und Svenja Stumpf

Simone Birkel geht sogar noch weiter: „Bestimmte Kompetenzen lernt man nur in der Jugendarbeit.“ Es gebe bereits einige Studien, die das zeigten – allerdings nicht explizit für den Bereich kirchlicher Jugendarbeit. Diese Lücke füllt nun die exemplarische Studie von Birkel und Stumpf. Sieben Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft sprachen in leitfadengestützten Interviews über den Zusammenhang ihrer heutigen beruflichen Praxis und ihrer Vergangenheit in der katholischen Jugendverbandsarbeit. Die Suche nach Interviewpartnerinnen und -partnern gestaltete sich aufwändig, denn Ziel war es Menschen mittleren Alters in Führungsverantwortung zu finden, die in ihrer Jugend in der kirchlichen Jugendverbandsarbeit ebenfalls in führenden Positionen waren. Gelungen ist dies über Hinweise aus dem Kollegen-, Freundes- und Bekanntenkreis.

In den Interviews nannten die befragten Führungskräfte eine ganze Fülle von Kompetenzen, die sie auf ihre aktive Zeit in der kirchlichen Jugendarbeit zurückführen. „Die interviewten Personen haben regelrecht gesprudelt im Gespräch, detailliert aus ihren Erfahrungen berichtet und diese als sehr prägend beschrieben“, berichtet Simone Birkel. Häufig thematisiert wurde die Kommunikationskompetenz. „In der kirchlichen Jugendarbeit muss man mit vielen unterschiedlichen Menschen reden und verhandeln – von Pfarrgemeinderatsvorsitzenden über politische Vertreterinnen und Vertreter bis hin zum Bischof“, erklärt Birkel. Durch diese Erfahrung gewinnen junge Menschen Selbstsicherheit sowie Diskurs- und Argumentationsfähigkeit. Fähigkeiten, die außerhalb des kirchlichen Kontexts ebenso wichtig seien wie innerhalb. Gleiches gelte für Organisationskompetenz: Die Jugendlichen lernen, wie ein System funktioniert – die Kirche – und können dieses Wissen übertragen auf andere Systeme. „Einer unserer Gesprächspartner hat gesagt: ,Es ist egal, ob man ein Krippenspiel organisiert oder eine Impfstation aufbaut.‘ Und so ist es: Viele Kompetenzen lassen sich von kleinere auf größere Projekte und andere Kontexte übertragen.“

Mehrwert Partizipationskompetenz

Besonders prägend sei für die befragten Führungskräfte die Erfahrung von Partizipation in der kirchlichen Jugendarbeit gewesen. Sie leben heute nach eigenem Bekunden in ihrem Beruf eine Führungskultur, die stark auf Beteiligung, Information und Initiative setzt. „Unternehmen und Politik sind oft hierarchisch geprägt, entsprechend haben einige der Interviewten von ihren Teams explizit gespiegelt bekommen, welch großer Mehrwert es ist, dass sie über Partizipationskompetenz verfügen“, berichtet Simone Birkel. Als ebenso relevant in ihrem heutigen Arbeitsleben stuften die Interviewten soziale Kompetenzen wie Empathie, Wertschätzung, Respekt und Teamarbeit ein. Sie berichteten auch, dass sie in der Jugendverbandsarbeit nach und nach gelernt hätten, Verantwortung und damit einhergehende Verpflichtungen zu übernehmen – eine Kompetenz, ohne die sie es wahrscheinlich gar nicht erst in eine Führungsrolle geschafft hätten. Das aktive Wirken habe zudem ihr Selbstvertrauen gestärkt und den Anstoß gegeben, heute ihrerseits Mitarbeitende zu motivieren und zu unterstützen. 

Diese positiven Erfahrungen wünschen die Interviewten auch anderen: „Viele haben den Wunsch geäußert, dass die kirchliche Jugendarbeit weiter unterstützt wird und die Jugendlichen von heute und morgen ebenfalls die Möglichkeit haben, sich so frei entfalten zu können“, sagt Simone Birkel. Gerade im ländlichen Raum sieht die Wissenschaftlerin die Kirche in einer wichtigen Rolle. „Kirche hat meist vor Ort Räumlichkeiten, die sie für die Jugendarbeit öffnen kann. Darüber hinaus braucht es nicht viele finanzielle Mittel, sondern nur Wertschätzung und Vertrauen. Das ist aus meiner Sicht eine große Chance für die Kirche.“ Auch für die gesamte Gesellschaft sei das wichtig, betont Birkel. Denn anders als beispielsweise Sportvereine habe kirchliche Jugendverbandsarbeit den expliziten Anspruch, politische Bildung zu leisten: „Kirchliche Jugendarbeit zu fördern, bedeutet auch ein Demokratie-Lernen zu fördern.“

Forschendes Lernen als Ausgangspunkt

Ausgangspunkt der Studie war ein Lehrforschungsprojekts im Schwerpunktstudium Jugend- und Schulpastoral unter Leitung von Simone Birkel. Unter Begleitung ihrer Dozentin konzipierten die Studierenden Monika Ettig, Dominik Graf, Claudia Reisner und Svenja Stumpf 2021 ein eigenes Forschungsprojekt – von den Forschungsfragen über die Entwicklung eines Forschungsdesigns bis hin zum Führen der leitfadengestützten Interviews. Im Sinne des „forschenden Lernens“ war es Birkel wichtig, offen zu sein für Ideen der Studierenden. So sei es diesen wichtig gewesen, möglichst erfolgreiche Führungskräfte zu finden: „Die Studierenden waren oder sind selbst in der kirchlichen Jugendarbeit aktiv – insofern war es im Sinne eines modellhaften biografischen Lernens für sie spannend, Menschen zu erleben, die auf derselben Basis erfolgreich sind.“ 

Die Auswertung und Aufbereitung der Rohdaten übernahmen Simone Birkel und ihre damalige Studentin Svenja Stumpf im Nachgang des Kurses. Für Stumpf, selbst stark in der katholischen Jugendverbandsarbeit engagiert, war das Projekt in vielerlei Hinsicht lehrreich: „Die Teamarbeit in einem studentischen Projekt lebt von guten Absprachen, klarer Kommunikation und Zielfokussierung. All das wurde bei uns in der kirchlichen Jugendarbeit grundgelegt. Es ist schön selbst zu erfahren, wie mein Ehrenamt mich bei meinem Studium unterstützt.“ Die zentralen Erkenntnisse des Projekts haben Stumpf und Birkel nun gemeinsam veröffentlicht (http://edoc.ku.de/id/eprint/34891/).